Die letzten Wochen sind wie so oft im Fluge vergangen ... Dieses Mal war es jedoch eher der Stress, der die Zeit so schnell wie noch nie vergehen ließ. Das Diwali-Fetsival, auch das Fest der Lichter genannt, hatte ein größeres Ausmaß genommen, als ich erwartet hatte. Dabei handelt es sich um ein mehrtägiges Fest, welches zu Ehren des Gottes Lahxmi gefeiert wird. Schon ein bis zwei Wochen zuvor hatten sich alle jedoch schon den Vorbereitungen gewidmet. Noch weitaus extremer als das Gedränge der Vorweihnachtszeit, hatten wir hier mal wieder das totale Chaos. Gesperrte Straßen, ausverkaufte Lebensmittel, nervtötender Lärm von Händlern und Käufern ... Alle Frauen der Familien putzten den gesamten Hausrat. Von Fensterscheiben, über Teppiche, Kleider, Besteck oder Schmuck, bis hin zur kleinsten Silberschale .. es musste alles sauber sein. Denn der Gott Lahxmi würde zu Besuch kommen und deshalb musste er ehrenvoll empfangen werden. Während des Festivals werden kleine Öllampen angezündet, Lampions aufgehangen und Raketen in den Himmel geschossen, um dem Gott den Weg nach Hause zu weisen.
Interessant war jedoch auch die Vorbereitung der Diwali-Speisen, die jedes Jahr um diese Zeit angefertigt werden. Anders als bei uns werden die "gebackenen Plätzchen" nicht nur für den Eigenverzehr, sondern viel mehr auch zum Verschenken und als Opfergaben des Gottes hergestellt. Hierbei handelte es sich um die unterschiedlichsten Süßspeisen, aber auch scharfe Snacks, die massenhaft in jeder Familie hergestellt wurden. Ladus (kleine runde Kugeln) aus Kokos, Weizenmehl oder purem Zucker, fritierte Teigringe oder mit Kokosnuss gefüllte Blätterteigtaschen...
Außerdem war der Tag gekommen, an dem ich das erste Mal meinen Sari anziehen würde. Ein Sari ist das traditionellste weibliche Kleidungsstück Indiens, welches von den meisten Frauen auch im Alltag getragen wird. In der Regel handelt es sich dabei um eine 6 Meter lange, ungenähte, recheckige Stoffbahn. Unter dem Stoff wird ein langer Unterrock getragen, um dem Sari Halt zu geben. Der Oberkörper wird durch eine kurze festsitzende Bluse namens Choli bedeckt. Über Bluse und Unterrock wird dann gekonnt der Sari gefaltet und gewickelt, bis er nicht mehr den Anschein macht, dass man 6 Meter Stoff an sich zu hängen hat. Dafür hatte ich glücklicherweise aber Hilfe von meiner Freundin, die sich schon Tage vorher riesig darauf freute, mich wie ein Püppchen ankleiden zu dürfen. Fazit: Einen Sari sollte man nach einem längeren Aufenthalt definitiv mindestens einmal getragen haben. In Deutschland würde ich ihm dann aber doch lieber wieder die Abendkleider vorziehen *lach*
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Ein typisches Hand- Mendhi (Henna-Tattoo) |
Extra schick - Die gesamte BSSK-Staff |
Neun ganze Tage hatten wir nun gefeiert, doch wer dachte es wäre damit vorbei, hatte sich geirrt. Für viele Inder fingen jetzt Urlaub oder Ferien an und auch die Kinder hatten zwei Wochen Schulfrei bekommen. So begann für mich eine einerseits wundervolle, aber dennoch abartig anstrengende Woche. Statt unseren insgesamt 20 Mitarbeitern mussten sich nun 4 Frauen um die 24 Kinder kümmern. Eine davon - klein Lea -
Es fühlte sich wahnsinnig gut an so viel Vertrauen entgegengebracht und so viel Verantwortung aufgebürdet zu bekommen. Doch nach einer Woche dieser Form von "Arbeit" grenzte es allmälich an nervliche Folter und Überanstrengung. Morgens, Mittags, Abends Kinder..Kinder...Kinder! So konnte ich das Wochenende kaum erwarten, auch wenn dieses eher Abwechslung als Entspannung versprach. Vor wenigen Wochen hatte ich nämlich einer indischen Freundin zugesagt sie auf eine Hochzeit zu begleiten. Selbstverständlich verlief es auch in diesem Fall, wie so oft in Indien, ganz anders als ich es kannte. Früh am Morgen der Hochzeit wird die Braut mit einer gelben Öl-Gewürzmischung am ganzen Körper eingerieben. Das Resultat der ersten 5 Minuten ist also dann eine "Monster"Braut in Quitten-Gelb, die, zu meiner Erleichterung, von ihrer schrecklichen Färbung nach einer weiteren halben Stunde befreit wurde. Danach wird die Braut angekleidet. Sie selbst darf sich daran aber nicht beteiligen, sondern wird - was mich doch sehr an eine Puppe erinnerte - von Kopf bis Fuß betuddelt bis sie endlich fertig geschmückt, geschminkt, frisiert und gekleidet war. Auch wenn gerade auf uns Europäer nahezu jedes indische Kleidungsstück farbüberflutet und kitschig wirkt, ist der Sari der Braut anscheinend wirklich nahezu mit jeder Farbe versehen. Weiße Saris sprechen in der indischen Hochzeitskultur für Einfallslosigkeit und Armut. Der Beginn der Hochzeit wird mit einer mindestens 2 stündigen Puhja eingeleitet. Dabei werden wieder zahlreiche Gottheiten verehrt und mit Opfergaben beschenkt. Natürlich ist die Dauer und das Ausmaß einer indischen Hochzeitszeremonie auch von der Kaste und damit dem familiären Vermögen abhängig. Einfache Hochzeiten können durchaus nach 4 Stunden beendet werden, währenddessen sich eine Zeremonie gut situierter Familien über drei Tage verteilen kann. Im letzten Monat hatte ich die Chance gleich drei indische Hochzeiten mitfeiern zu dürfen. Alles in Allem kann man sagen, dass nahezu jede Handlung innerhalb der Zeremonien einen sehr symbolischen Hintergrund hat.
Puhja |
Die gedeckte Hochzeits"tafel" |
Das Brautpaar |
Nun aber genug Gerede um die indischen Hochzeiten :) Ich sprach ja bereits im Titel von kleinen Triumphen. Ende November wurde ich von meiner Chefin angesprochen, ob ich nicht in einer Diskussionsrunde ein bisschen über mein Auslandsjahr und meine bisherigen Erlebnisse erzählen könnte. Da dachte ich mir also ... gut, keine große Sache, du sprichst ja fast jeden Tag mit verschiedensten Personen über all das hier. In Sangli kann ja auch nicht allzu viel los sein. Tja .. nur dachte ich diessmal falsch. Erst wenige Minuten vor meiner harmlosen "Disskusionsrunde", die sich nun als Rede einer überdimensionale Stadt-und Bezirksveranstaltung entpuppte, merkte ich was mir bevorstand. Zum Glück konnte ich daran in dem Moment nichts mehr ändern, sonst hätten mich wahrscheinlich keine 10 Pferde auf die Bühne gebracht, auf welcher ich dann brav hinter dem Mikro meine Geschichte zu erzählen begann. Als Ehrengast neben den bedeutendsten Persönlichkeiten aus Sangli und Umgebung war ich doch sichtlich gerührt eingeladen geworden zu sein. Im Nachhinein hatte ich erst erfahren, dass es sich um eine Berufsorientierungsveranstaltung für Schüler 10.-12. Klasse und deren Eltern gehandelt hatte. Als Danksagung wurde mir am Ende der Veranstaltung ein duftender Blumenstrauß und eine Ehrenplakette überreicht.
Die Ehren-Plakette für Miss Lea Kirsch - Sozialarbeiterin aus Deutschland
"Es ist uns eine große Ehre Sie im Rahmen dieser Veranstaltung in der Kreis-Stadt Sangli vor unserer Jugend präsentieren zu dürfen und Sie mit dieser Ehrenplakette für Ihre außerordentliche Arbeit auszuzeichnen. Wir empfinden Ihre Arbeit als außergewöhnlich gut und erfreuen uns vorallem daran, dass Sie den weiten Weg von Deutschland auf sich genommen haben, um unsere Kultur, die sozialen Umstände, Probleme und unsere Wesen besser verstehen zu lernen und Ihren Dienst in unserem Land zu leisten. Es gibt nur wenige Menschen, die Ihr Vaterland verlassen, um in einer anderen Gesellschaft mit so viel Herz zu arbeiten. Allein das spricht Bände über Ihr großes Engagement. Ihre soziale Einstellung und Ihre Arbeit überschreiten die politischen, kulturellen sowie die zivilisationsbedingten Grenzen unserer Zeit . Damit geben Sie, Lea Kirsch ein Beispiel, das jeder von uns schätzen sollte.
Wir, aus Sangli, sind in der Tat mehr als dankbar für Ihre selbstlose und leidenschaftliche Arbeit. Wir sind zuversichtlich, dass Ihr Aufenthalt und Ihr Dienst, viele Bewohner unserer Stadt inspirieren wird, ihren Beitrag zu einer positiven sozialen Veränderung zu leisten.
Um unsere Welt jeden Tag etwas schöner werden zu lassen."
Tarang Bahuudheshiya Sanstha Sangli
Sprachlos konnte ich am Ende nur noch ein ehrliches und von Herzen rührendes "Dankschön" in das Mikrofon hauchen.