Dienstag, 27. November 2012

:) Hasenschmuggel :)


Ich habe euch ja bereits  von meiner Projektidee erzählt :)
In der vorherigen Woche wurde ich kurzfristig für ein weiteres Treffen mit unserer Mentorin nach Pune bestellt.
In Sangli gestaltete sich die Hasen-Suche wirklich schwierig. Das einzige, was mir angeboten wurde, waren alte, eingeschüchterte, verstörte Hasen :( Auch wenn sie mir noch so Leid taten .... war es absolut nicht das wonach ich gesucht hatte. Zurück in Pune entschloss ich mich also dazu die Kleinen einfach dort zu kaufen und sie anschließend mit nach Sangli zu nehmen.

Ich muss gestehen ... etwas aufgeregt war ich ja schon, da die Busregeln von "Konduskar Travels" eindeutig lauten:

Pet animals/birds are not permitted to be carried (see M.V. Act 1989, Rule No. 102ii)
if carried and detected passenger will be abandoned

Haustiere/Vögel sind nicht erlaubt mitzunehmen (siehe M.V. Gesetz von 1989, Gesetzesnummer 102ii)
Im Falle dessen, dass ein Tier mitgenommen und der Passagier dabei erwischt wurde, wird dieser ausgesetzt.

Natürlich ging am Ende dann trotzdem alles gut und wir blieben unentdeckt, da ich wieder zwei Plätze für mich alleine hatte.
Abends sollte ich eigentlich vom Fahrer des BSSK abgeholt werden, da ich in der Dunkelheit mit den Hasen noch dazu ungern auf Rikshaw-Suche gehen wollte. Doch leider funktionierte nichts so wie geplant.
Wie es in Indien aber nunmal so ist, war all das am Ende überhaupt kein Problem. Sofort fand sich ein junges Ehepaar, das mich unter KEINEN Umständen allein nach Hause fahren lassen wollte.

Dazu muss man sagen, das sowas hier in Indien, vor allem aber in ländlichen Gegenden wie Sangli sehr oft vorkommt. Für die Inder bin ich nämlich nicht nur Gast in ihrem Land, sondern vor allem ein kleines, unerfahrenes Kind, auf das selbstverständlich aufgepasst werden muss. Oft werde ich hier komisch angeschaut, wenn ich erzähle, dass meine Eltern die Idee ins Ausland zu gehen sogar noch unterstützt haben. Oftmals wird nämlich vermutet ich hätte mich mit meiner Familie verstritten, wäre ausesetzt oder verstoßen worden oder ganz und gar einfach nach Indien geflüchtet. Haha ja, klar doch!
In Indien sind 18 jährige minderjährig. Besonders Töchter sind wie kleine Kinder für sie und werden demenstprechend behandelt. Freiheit "Adee", "Hallo" zur Käfighaltung. Viele junge Frauen dürfen allein nicht einmal aus dem Haus gehen ...!

Gott sei Dank gibt es auch in diesem Fall Ausnahmen :) Für uns ist es natürlich nahezu unvorstellbar und hört sich eher nach Freiheitsberaubung an, was hier als Fürsorge verstanden wird. In Indien ist das jedoch normal und so regen sich auch die wenigsten darüber auf. Schließlich kennen sie es ja nicht anders. So kommt es aber häufig vor, dass man jungen Menschen begegnet, die sich in der Tat wie Kleinkinder verhalten, unselbständiger nicht sein könnten und bei jeder Kleinigkeit nach "Maamaaa?" schreien. Es mag witzig klingen ... ist es aber nicht immer und vor allem aber ist es die Realität.

Wo ich jedoch grade von Ausnahmen geredet habe ...
Da ich im Normalfall von Montags bis Freitags arbeiten gehe, habe ich das Wochenende über frei. Als ich noch in Deutschland war, macht ich mir viele viele Gedanken darüber, wie ich meine Freizeit nur verbringen soll, da ich im Gegensatz zu den anderen Freiwilligen, ja doch ganz schön allein hier bin.
Tja, was soll ich euch sagen. Ich habe NIE Langeweile und IMMER etwas zu tun. Eigentlich bräuchte ich eine Woche mit 10, anstelle von 7 Tagen :)

Ich habe hier unabhängig voneinander zwei sehr nette indische junge Frauen kennengelernt, mit denen ich meine Zeit am Wochenende verbringe. So sind meine zwei freien Tage also immer gut gefüllt mit kleinen Shoppingtouren, Kochkursen, ruhigen Stunden am Flussufer oder mit dem Vorstellen neuer Leute hier aus Sangli.

Wenn ich d.a.n.n. noch Zeit zwischendurch finde, sitze ich wohl möglich grade auf meiner Terasse und versuche mir einen neuen, guten Post aus dem Hut zu zaubern :)

Inzwischen haben sich sogar die etwas schreckhaften Kinder daran gewöhnt, dass auf dem Boden nun auch andere kleine Wesen herumtollen :) Während die Wilderen sich dazu haben überreden lassen, dass die Tiere keine Quietsche-Entchen sind, die man hin- und herschupsen oder zerquetschen darf. Sie sind Feuer und Flamme und helfen immer brav beim Füttern und sauber machen mit. Ab und zu kommt auch eine empörte Ansage eines meiner größeren Mädchen, während ich bei der Arbeit bin "Lia-Diddi, Kaya hat mir gesagt sie hat Hunger!" Mit einem Schmunzeln, gebe ich dann doch meistens nach, obwohl die Tiere natürlich wohlgenährt sind. In den letzten Wochen sind sie nun ihr ganzer Stolz geworden und werden Besuchern nun immer schon vor den Babys präsentiert und gelobt. Letztens kam doch tatsächlich die Frage, ob man mir die Kleinen nicht abkaufen könnte. Damit wäre die ganze Arbeit und das Glück der Kinder aber natürlich vollkommen dahin, sodass ich mich mit der Dame darauf einigte ihr beim nächsten Besuch in Pune "genauuu SO einen Hasen" mitzubringen ...



Wann immer ihr Fragen habt, stellt sie bitte. Über Kommentare von euch freue ich mich natürlich wie immer sehr!

Mit sonnigen Grüßen aus Indien :)

Eure Lea

Freitag, 2. November 2012

Australischer Besuch und ein Trip nach Chiplun


Schon seit einer Woche sprachen alle davon, dass wir bald Besuch von einer australischen Frau bekommen würden. Da sie selbst und viele ihrer Freunde Sponsoren ein oder mehrer indischer Kinder ist, entschloss sie sich dieses Jahr nach Chiplun zu reisen, um sich ein eigenes Bild von den Lebensumständen und Familienverhältnissen zu machen. Dort befindet sich nämlich die kleinste Stelle des BSSK, in welcher derzeit nur 10 Kinder leben, aber von dort aus zusätzlich um die 150 Sponsorship-Kinder betreut werden.

Überraschender Weise kam sie einen Tag früher, als geplant, wodurch die Frauen des BSSK ziemlich in Hektik gerieten.
"Wo liegt denn Australien überhaupt? Wie heißt sie nochmal? Der Blumenstrauß ist ja noch gar nicht fertig und Máma! Du musst doch los, um sie abzuholen!"

Zu ihrem Glück kam sie am letzten Tag des Dusshera Festivals (24.Oktober), welcher, was ich nun schon aus Erfahrung sagen kann, immer am kräftigsten gefeiert wird.
So hatten also die meisten der Frauen ihren freien Tag und das BSSK war relativ ruhig. Stolz wurde unsere Einrichtung gezeigt :) Nachmittags machten wir uns auf den Weg, um unserem Besuch ein wenig von der Umgebung zu zeigen. Ein kurzer Spaziergang am Flussufer wurde zu einem Erlebnis :) Ein Mann versuchte mit einem selbstgebauten Bogen einen Rekord zu brechen. Ohne Visier wollte er eine Zielscheibe in mehr als 200 Meter Entfernung treffen. Tatsächlich schaffte er es, was für uns, als totale Laien, ziemlich beeindruckend war.



Danach besuchten wir noch den größten Tempel Sanglis, der aufgrund des letzten Festivaltages natürlich voller Menschen war, wo wir Teil einer überfüllten Tradition wurden.









Als wir eigentlich schon wieder zurückkehren wollten, kam meiner Chefin spontan noch die Idee, abends in ein 6 Kilometer entferntes Dorf zu fahren, wo es eine alte, großartige Tradition zu bestaunen gäbe. Als wir "Ja" sagten, dachten wir aber ganz bestimmt nicht an das, was uns letztendlich erwartete .... Eine Feuerwerksschlacht ....
In einer bestimmten Straße des Dorfes wird jedes Jahr, am 24. Oktober ab 21.00 Uhr eine Art Wettbewerb veranstaltet. In Indien gibt es so genannte "Puhjas", eine Art Trage auf der eine Statue der jeweilige Gottheit präsentiert, reich geschmückt und verehrt wird. Diese Puhja wird nun von Haus zu Haus getragen, bis sie am Tempel angelangt. Sobald sich die Gottheit vor der Tür befindet, kommt die Mutter des Hauses, um die Träger mit Essen und Trinken zu versorgen. Ist dies getan, wird zu Ehren des Gottes von allen männlichen Familienmitgliedern ein Feuerwerk organisiert. Diese werden das ganze Jahr über ausschließlich für diesen Tag gefertigt und keinesfalls verkauft, wie ich anfangs dachte.




Ziel ist es das schönste Feuerwerk der ganzen Straße zu veranstalten und damit den Gott ganz besonders zu ehren. Diese Prozedur wird fortgesetzt bis die Puhja vor jedem Haus gestoppt und schließlich den Tempel erreicht hat. Natürlich kennen wir Feuerwerk in allen Varianten ... aber sowas ... habe ich noch nie erlebt. Meter-hohe Fontänen, mannsgroße, rotierende Scheiben, die mit lauten Explosionen eine Art Feuerregen versprühen und das lauteste & größte Feuerwerk, was ich je gesehen habe. Das Gedränge war enorm und die Inder schienen vor Freude auszurasten, sprangen wild durch den Feuerregen und standen nur wenige Zentimeter von den Raketen entfernt. Selbstverständlich wurde, wie bei jedem anderen Festival auch lautstark Musik dazu gemacht.

Natürlich habe ich versucht es in Bildern festzuhalten ... was daraus geworden ist könnt ihr euch sicher vorstellen *haha*








Erschreckend, gefährlich, laut, hell, unberechenbar, überfüllt und doch wunderschön und beeindruckend zugleich! Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich bin mir sicher, dass viele Zuschauer einige Verbrennungen oder andere Verletzungen an diesem Abend erleiden mussten. Über 20.000 Zuschauer wurden erwartet ... ich bin mir jedoch fast sicher, dass es mehr waren. Gott sei Dank konnten wir uns bis zu einem Haus durchkämpfen, wo wir auf der Dachterrasse das Ganze von oben betrachten konnten.

Zwei Tage später ging die Reise also für die Australierin weiter und auch ich hatte mich dazu entschlossen mit ihr und meiner Chefin mitzukommen, um eine weitere Stadt kennen zulernen  die BSSK Stelle zu sehen und vor allem aber, auf weitere Hausbesuche mitgehen zu können. Die Häuser der Sponsorship-Kinder befanden sich diesmal zum Teil in in einer Bergregion, was mich besonders reizte. Angekommen in Chiplun wurden wir herzlich begrüß, begannen jedoch gleich mit der Arbeit, da es viel zu tun gab und wir nur wenige Tage dafür Zeit hatten.



Hier also ein Bericht über unsere gemeinsamen Tage in Chiplun :)

Nach dem wir am ersten Tag viele organisatorische Dinge zu besprechen hatten, machten wir uns am Zweiten gleich früh morgens um 8.00 Uhr auf den Weg zu unseren ersten Sponsorship-Kindern. Auf dem Hinweg besuchten wir eine Schule, aus welcher uns 3 Kinder später bis zu ihren Häusern begleiteten.



Stunden- und Lehrerplan



Der Weg war steil und manchmal kaum als solcher zu erkennen, sodass wir auf dem Rückweg Probleme hatten wieder zurückzufinden. Trotz aller Anstrengung war diese Tour es definitiv Wert :) Ein weiteres Mal durfte ich den indischen Alltag also ganz nah miterleben. Allein durch die Lage in der Bergregion unterschieden sich diese Hausbesuche natürlich stark von denen, die ich bis jetzt in Sangli gemacht hatte. Viele Familien leben ohne Strom und so, wie wir sagen würden, vor 200 Jahren gelebt haben. Feuer wird selbst gemacht, der Fußboden besteht aus getrocknetem Kuhdung  Tiere leben und schlafen in der Küche, und das Bett wird, wenn überhaupt eines vorhanden ist, ausschließlich als Sitzgelegenheit für Gäste angeboten und nicht zum schlafen genutzt. Nach vielen Stunden lagen trotzdem erst 9 von über 50 Hausbesuchen hinter uns. Auch wenn viele Bilder vielleicht recht idyllisch erscheinen mögen, ist das Leben dieser Familien wirklich hart und oftmals von schweren Schicksalsschlägen geprägt. Ich glaube nicht, dass einer von uns auch nur eine Nacht dort verbringen wollen würde. Diese Familien sind wirklich hilfsbedürftig und deshalb ist grade das Leben der Kinder nicht so, wie es ihnen zu wünschen wäre. Oft hört man von häuslicher Gewalt, Alkoholproblemen, plötzlichen Todesfällen, Hungersnot oder Unterernährung und schweren Krankheiten innerhalb der Familien.









Reis für ein Jahr
Ein typischer Hausaltar



Ein Sari hängt zum Trocknen aus



Am dritten und leider damit auch schon wieder letzten Tag unseres Chiplun-Aufenthalts begaben wir uns erst am Nachmittag zu weiteren Hausbesuchen, da wir den Vormittag über ein  abwechslungsreiches Camp besuchten, welches zweimal pro Jahr für alle  150 Sponsorship-Kinder dieser Region veranstaltet wird. Von einer Bastelstunde für Laternen, über einen Lehrgang zur Parfümherstellung, bis hin zu einer Stunde Aufklärungsunterricht, gestaltete sich das Programm wirklich sehr abwechslungsreich. Beendet wurde es mit der Vorführung einer Gruppe, die einen traditionellen Fischer-Tanz aufführte.



Sponsorship-Kinder mit einer fertigen Diwalli-Laterne






Nach weiteren Hausbesuchen am Nachmittag machten sich meine Chefin und ich wieder auf den Rückweg. Auch wenn es noch so schnell vorbei ging, möchte ich diesen Trip und vor allem die damit verbundenen Erfahrungen nicht mehr missen!

Es hat mir wieder einmal gezeigt, wie gut wir es haben und wie unnötig und klein so manche unserer Sorgen und Ängste, im Gegensatz zu den wirklichen Problemen sind, mit denen diese und viele andere Menschen in der Wel tagtäglich zu kämpfen haben.



Mit vielen Grüßen

Von eurer Lea

Samstag, 13. Oktober 2012

"Lia Didi, Sassaa kuthay?"


Wie bereits angekündigt, kommt hier nochmal ein kleiner Nachtrag über die wichtigsten Ereignisse und Veränderungen rund um meine Arbeit & das BSSK Projekt :)




Bei meinem letzten Besuch in Pune hatte ich einen Händler entdeckt, der in einem winzigen Käfig um die 15 oder 20 kleine Hasen-Babys hielt, die zum Verkauf standen. Gleich empfand ich Mitleid mit den Kleinen, zwang mich aber dennoch zur Vernunft und ging weiter, ohne einen zu kaufen. In Sangli wieder angekommen tobte der BSSK-Hund Careggh wieder durch das Haus und alle Kinder fingen vor Angst an zu schreien. In dem Moment kam mir die Idee! Dieses Tier war einfach viel zu groß für solche kleinen Kinder, aber was wäre denn mit den Kaninchen....Die Grünfläche im Innenhof des BSSK ist jedenfalls ungenutzt, was ich schon von Anfang an als sehr schade empfunden hatte.

Ich dachte mehrere Tage darüber nach bis ich mir ein Herz fasste und meine Chefin fragte. Eigentlich war ich schon darauf eingestellt, dass sie mich für verrückt halten und der Idee eine Abfuhr erteilen würde. Doch sie war schlicht-weg begeistert :) Auch sie erkannte, dass dies eine ganz andere Möglichkeit für die Kinder sei, um mehr Verantwortung zu übernehmen, aufmerksamer zu beobachten und anderen Liebe und Zuneigung zu schenken. Die Kinder fragen nun jeden Tag: "Lia Didi, Sassaa kuthay?" - "Leaa, wo ist ist der Hase?" Nun mache ich mich also auf die Suche, nach den kleinen Wackelnasen und verbringe meine Freizeit damit Pläne für einen Auslauf zu entwerfen.

Doch auch außerhalb des BSSK geht die Arbeit im Playhouse von Woche zu Woche voran. Drei Mal wöchentlich kommen um die 15-20 Kinder zusammen. Dienstags für die Handwerks-und Bastelarbeiten, Mittwochs: Mahte-und Naturwissenschaften und zu guterletzt für den Englischunterricht am Donnerstag. Das Playhouse musste leider in eine andere Gegend Sanglis verlegt werden, da der Weg für die Kinder abends einfach zu weit war, sodass viele nur sehr unregelmäßig teilnahmen. Zur Verfügung gestellt bekamen wir eine leere Hütte in der es nicht mal Licht gab und in welcher Fledermäuse, Vögel und andere nette Krabbeltiere nisteten. Erschrocken über diesen Zustand musste ich mich am ersten Abend etwas zusammenreißen nicht einfach den Unterricht zu verlassen. Nun kämpfe ich dafür, dass der Raum etwas schöner gestaltet wird und vor allem erstmal Licht bekommt. Ich bin seit Anfang diesen Monats allein für den Englischunterricht zuständig und damit zur "Lia-Madame" geworden :) Die Kinder nehmen mit sehr viel Freude an meinen zwei Stunden pro Woche teil und sind fleißiger denn je. Da es ein paar Anfangsschwierigkeiten mit dem englischen Alphabet gab, habe ich eine Lernhilfe gemalt & gebastelt, um es für meine kleinen Schüler etwas anschaulicher zu machen. Auf dem Nachhauseweg bin ich meist von einer Traube von Kindern umgeben, die mich unbedingt noch bis zur nächsten Kreuzung begleiten wollen. Vor Essenseinladungen von den Schülern selbst, als auch von deren Eltern, kann ich mich kaum mehr retten.



Die Hausbesuche sind nun bereits in meinen Arbeitsplan eingeflossen, sodass ich meist zwei mal pro Woche mit einer der BSSK-Frauen mitgehe, um ein Weiteres der Sponsorship-Kinder zu besuchen. Insgesamt ist die Zahl, der geförderten Familien schon auf 470 gestiegen. Manchmal werden sowohl das Kind, als auch dessen Eltern finanziell unterstützt. Meist hat das die unterschiedlichsten Hintergründe. Oft habe ich mir schon alte Akten über die Kinder durchgelesen. Dass es sich dabei um ein reales Leben und kein Drama im Fernsehen handelt ist selbst für mich manchmal noch nicht zu begreifen. Jedes Kind und jede Familie hat ihre eigene Geschichte und ist oft so erschreckend oder grausam, dass man es einfach nicht wahrhaben will. Anders als ich es anfangs erwartet hatte, ist es weniger die Freude, sondern eher die Furcht, die in den Gesichtern der Menschen zu lesen ist, wenn sie die monatliche Unterstützung erhalten. Sie fühlen sich abhängig und unterworfen. Pro Tag schaffe ich es meist mit der Sozialarbeiterin 6 Familien zu besuchen. Oft geht viel Zeit dabei verloren, die  Häuser bzw. Hütten und Wohnungen der Sponsorship-Kinder zu suchen, da es in Sangli keine Hausnummern und oft nicht einmal Straßennamen gibt. Spannend ist für mich jedoch, dass sich jeder trotzdem zu kennen scheint und man am Ende nach 3-5 Mal Nachfragen oft doch ans Ziel kommt. 
Kleine Gassen, Geheimgänge, Häuser die nicht wie Häuser, sondern Ställe aussehen, Frauen die im Matsch neben ihren Ziegen sitzen. Familien, die mich mit großen Augen anschauen, wenn ich ihr zu Hause betrete und der pure Stolz in den Augen der Kinder, dass "die Weiße" bei ihnen zu Gast war. Kleine Eindrücke, die euch vielleicht besser verstehen lassen, warum ich diese Hausbesuche so schätze.
















Das absolute Highlight der letzten Wochen war jedoch ein Treffen am Geburtstag Mahatma Ghandis, am 02. Oktober. Ihm zu Ehren wurde ein Treffen organisiert, bei welchem viele verschiedene Organisationen, Vereine oder Einrichtungen aus Sangli und Umgebung vorgestellt wurden, die einen wohltätigen Hindergrund haben. Zu jedem Projekt gab es jeweils einen kleinen Stand, wie wir es von Weihnachstmärkten beispielsweise kennen, der dazu diente über die Absichten aufzuklären und verschiedenste Dinge aus eigener Produktion zu verkaufen. Von selbstgemachten Parfümfläschchen, Lesezeichen, Haarspangen, über Taschen und Teppichen bis hin zu riesigen Gemälden war alles dabei. Spät am Abend und zum krönenden Abschluss der Veranstaltung trat eine Gruppe mit dem Namen "For us to the Sky is the limit" auf. Dabei handelte es sich um Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen. Ganze 2 1/2 Stunden tanzten und sangen sie, bildeten Formationen oder zeigten andere Talente. Es war so beeindruckend das ich ein paar Mal den Tränen nah war. Sie waren stolz auf ihr Können und mit Leib und Seele dabei. So wurde es auch für mich zu einem wirklich unvergesslichen Abend. Leider versagte meine Kamera. Fotos könnt ihr aber gern auf ihrer eigenen Hompage anschauen ;)

http://www.hohk.org.in/




Wie ihr seht kommt das Wort "Langeweile" in Sangli bei mir also nicht vor! Es ist nach wie vor ein Erlebnis, jeden Tag :) 





Sonntag, 30. September 2012

Das Ganesh Festival!

Es sind nun wieder zwei Wochen vergangen, seitdem ich das letzte Mal geschrieben habe.
Eigentlich keine lange Zeit ... in Indien schon! 

Jeden einzelnen Tag habe ich das Glück etwas Neues, Außergewöhnliches und Unerwartetes zu entdecken. Ich genieße es nach wie vor sehr hier zu sein. Gestern fing ich vor lauter Glück einfach an zu lachen, als ich morgens meine Flügeltür zum Balkon öffnete und mir der laue Wind entgegenkam. Es ist schön hier zu sein und es ist eine Möglichkeit, die jeder nutzen sollte, wenn er die Chance dazu hat, ein Jahr fernab zu verbringen!

Am 18.09. begannen in Sangli bereits die Vorbereitungen des bevorstehenden, 11 tägigen Ganesh-Festes.
Hier wird es auch als Ganpati oder Ganesh Chaturthi bezeichnet. Dabei handelt es sich um eines der bedeutendsten hinduistischen Festivals. Ganesh ist der Gott mit dem Elefantenkopf, der "Herr der Scharen",  welcher für Glück, Intelligenz und Weisheit steht. 



Jede Familie kauft eine Ganesh-Statue, die liebevoll geschmückt auf einer Art Altar platziert wird. Mit Gesang und Tanz wird die Figur feierlich am ersten Tag enthüllt. Vorher wurde sogar noch ein Tanz von einer Kindergruppe aufgeführt, die mit Rasseln und lautem Geschrei Ganpati entgegenfeierten. Nach 5,7,9 oder spätestens 11 Tagen wird die Ganesh-Figur meist vom ältesten männlichen Familienmitglied mit viel Jubel zum Wasser getragen und versenkt. Auch auf den Straßen werden große Bühnen zu Ehren des Ganesh aufgebaut, von welchen Tag und Nacht laute Hindi-Musik zu hören ist. Die Ganesh-Figuren gibt es hier von der Handgröße, bis zu überdimensionalen 3 Meter Figuren.Oftmals wird vor den Altar, wie auch vor die Haustür ein buntes Muster, mit Farbulver gestreut, hier wird es als "Rangoli" bezeichnet. 



Um Ganesh persönlich zu ehren wird er von jeder Person einzeln, nach dem Gebet mit trockenem Reis beworfen.



Ich hatte das Glück vom 20. bis zum 23. September meine Freunde in Pune zu besuchen und dort wieder ein Stück des westlichen Lebensstandards zu genießen. Die Busfahrt verging dieses Mal ohne jegliche Probleme, sodass ich nach ca. 4 Stunden die Großstadt erreichte. Auch dort waren natürlich bereits alle Leute auf der Straße und feierten mit lauter Trommelmusik, jeder Menge Farbpulver und verschiedensten Tänzen. Der einzige Unterschied der zwischen Pune und Sangli in dieser Zeit zu vermerken war, war lediglich, dass alles noch viel größer, noch viel lauter, noch viel bunter und am Ende ... noch viel verschmutzer zurückblieb. 
So schön es auch war diese heilige Zeremonie miterleben zu dürfen, war es grausam mit anzusehen, wie verdreckt Flussmündungen und Ufer zurückgelassen wurden. 

"You know ... life is like a coin, Lia. It always has a good and a bad side." 
"Weißt du, Lea ... Das Leben ist wie eine Münze. Es gibt immer eine gute und eine schlechte Seite.", versuchte mich eine indische Frau zu erheitern, nachdem ich mich kopfschüttelnd vom verdreckten Flussufer abgewendet hatte. Für mich war diese Erklärung jedoch weder eine sinnvolle Begründung, noch eine Beruhigung.

Auf der Rückfahrt von Pune nach Sangli, merkte ich schon, dass ich mich wirklich freute wieder zurückzufahren ... auch wenn ich die letzten Tage mit den anderen sehr genossen hatte, waren mir das BSSK, die Kinder und das ländliche, indische Leben schon sehr ans Herz gewachsen.

Hier noch ein paar Fotos von der tollen Landschaft  während der Fahrt...





Zurück in Sangli wurde ich herzlich von der Staff, den Kindern und Careggh begrüßt :) 
Ich hatte die letzten Male immerwieder vergessen von ihm zu schreiben. Careggh ist unser BSSK Hund ein wilder, aber liebevoller Labrador, der meine regelmäßigen Streicheleinheiten mittlerweile sehr zu schätzen weiß ;)




In den kommenden Tagen wird noch ein weiterer Post zu den Themen Hausbesuche, Playhouse und meinem ersten eigenen Projekt im BSSK folgen.


Bis dahin 

Mit allerliebsten Grüßen aus dem schönen Sangli :)










Sonntag, 16. September 2012

"Nimm ein Kind an die Hand und lass dich von ihm führen. Betrachte die Steine, die es aufhebt und höre zu, was es dir erzählt. Zur Belohnung zeigt es dir eine Welt, die du längst vergessen hast."








Dank der sehr guten Reisevorbereitung, die ich größtenteils meinen cleveren Eltern zu verdanken habe, konnte ich mich, mitsamt meinen Sachen die ich von zu Hause mitgebracht hatte, schnell einleben.
Wer also nach Indien fliegt, um dort eine längere Zeit zu verbringen, sollte meiner Meinung nach keinesfalls auf ein paar heimische Wohlfühlelemente verzichten.
Hier wird viel mehr darauf geachtet, dass es funktionstüchtig ist und keine großen Umstände macht es wegzuräumen, um zu putzen. Fast alle Wohnungsgegenstände sind also eher dafür da ihren praktischen Zweck zu erfüllen, als einen Wohlfühl- oder Gemütlichketscharakter hervorzurufen.

Ich habe nun über eine Woche nicht mehr geschrieben und habe desshalb einiges nachzuholen. Indien steckt gerade für Europäer voller Überraschungen und irgendwie ist jeder noch so kleine neue Eindruck erwähnenswert!


Letztes Wochenende hatte ich die Chance mit einer der Krankenschwestern des BSSK zwei Tempelanlagen zu besuchen. Beide waren nicht weit entfernt von Sangli und somit gut für uns mit dem Motoroller zu erreichen. Mit großer Ehrfurcht und Stolz zeigte sie mir ihre Lieblingsplätze und nahm mich mit in den Tempel hinein. Dort erwarteten mich viele bunte, mit Blumen verzierte Gottesfiguren. Das Heiligste wird Tag und Nacht von einem Wächter behütet. Wenn man vor das Gottesbild tritt wird einem ein Schluck Rosenwasser und danach Zucker auf die Hand gegeben. Alles ist sehr farbenfroh .. wir würden es vielleicht schon wieder als kitschig bezeichnen ;) Aber wie sagt man: Andere Länder, andere Sitten.







Nachdem sie mich einmal rundherum geführt hatte, gingen wir in Richtung Flussufer. Zu unserem Glück wollten grade ein paar Bauern übersetzen, um zu ihrem Feld zu gelangen. So genossen wir also noch eine kleine Bootstour auf dem Ganesh-Fluss.







Nach einem wundervollen Wochenende voller neuer Eindrücke und etwas Erholung startete ich zufrieden in die Woche. Auch hier warteten neue spannende Tätigkeiten auf mich ...

"Krass" war das einzige was mir im ersten Moment einfiel, als ich das erste Mal eine Familie bei einem Hausbesuch kennenlernte. Ich machte mich am Dienstag Mittag gemeinsam mit einer Frau der BSSK Staff auf den Weg, die sich um die Sponsorship-Children kümmert. Wir besuchten insgesamt 6 Familien, um ihre Lebensumstände zu prüfen, Fragen nach dem Einkommen der Eltern und nach dem Bildungs- und Gesundheitsstand des Kindes zu stellen und zu protokolieren. Viele von ihnen leben in winzigen Hütten, in ärmsten Verhältnissen. Das BSSK hat seit neustem Stand um die 400 Kinder, die außerhalb des Kinderheims bei ihren Familien wohnen, aber aufgrund schwieriger Lebensumstände von einem Förderprogramm unterstützt werden. Zum Thema Hausbesuche werdet ihr aber sicherlich noch öfter etwas hören, da ich mich nach diesen Eindrücken sofort dafür entschieden habe, daran weiter mitzuarbeiten. So habe ich die Möglichkeit ganz nah an die verschiedensten Familien, aus unterschiedlichen Kasten heranzutreten, die ich alleine niemals hätte. Da wir alles zu Fuß erliefen, habe ich innerhalb weniger Stunden viel von Sanglis verschiedenen Facetten sehen können. Ich werde auf jeden Fall dran bleiben!

3 Mal pro Woche gibt es Abends im BSSK das sogenannte "Playhouse-Project". Dorthin kommen Sponsorship-Kinder verschiedenen Alters. Ziel dieser Treffen ist es, den Kindern, die wenig Interesse am Lernen haben, spielerisch etwas beizubringen. Das ist natürlich auch für mich eine interessante Sache, an der ich ab jetzt, wenn möglich, regelmäßig teilnehmen werde.





Diesen Samstag wurde dann noch Geburtstag gefeiert! Natürlich lief alles etwas anders als in Deutschland ab. Auch in Indien gibt es eine Art Geburtstagszeremonie. Anstelle von Kerzen werden kleine Öllampen angezündet. Sie werden zusammen mit zwei heiligen Gegenständen, einem goldenen Ring und einem mit Perlen besticktem Ball) auf einem Silbertablett zum Geburtstagstisch getragen. Dort wurde es kreisend über die Köpfe der Kinder gestreckt. Wie eine Art persönliche Segnung, die jeder für sich ausgeführt hat. Dann gab es jedoch zu meiner Überraschung einen normalen Kuchen, genau wie bei uns ;) Als Nascherei hatten die Kinder dann noch bunte Chips auf ihren Tellern, die sie mit großer Begeisterung und Freude über verschiedene Formen und Farben in sich hineinstopften :)