Schon seit einer Woche sprachen alle davon, dass wir bald Besuch von einer australischen Frau bekommen würden. Da sie selbst und viele ihrer Freunde Sponsoren ein oder mehrer indischer Kinder ist, entschloss sie sich dieses Jahr nach Chiplun zu reisen, um sich ein eigenes Bild von den Lebensumständen und Familienverhältnissen zu machen. Dort befindet sich nämlich die kleinste Stelle des BSSK, in welcher derzeit nur 10 Kinder leben, aber von dort aus zusätzlich um die 150 Sponsorship-Kinder betreut werden.
Überraschender Weise kam sie einen Tag früher, als geplant, wodurch die Frauen des BSSK ziemlich in Hektik gerieten.
"Wo liegt denn Australien überhaupt? Wie heißt sie nochmal? Der Blumenstrauß ist ja noch gar nicht fertig und Máma! Du musst doch los, um sie abzuholen!"
Zu ihrem Glück kam sie am letzten Tag des Dusshera Festivals (24.Oktober), welcher, was ich nun schon aus Erfahrung sagen kann, immer am kräftigsten gefeiert wird.
So hatten also die meisten der Frauen ihren freien Tag und das BSSK war relativ ruhig. Stolz wurde unsere Einrichtung gezeigt :) Nachmittags machten wir uns auf den Weg, um unserem Besuch ein wenig von der Umgebung zu zeigen. Ein kurzer Spaziergang am Flussufer wurde zu einem Erlebnis :) Ein Mann versuchte mit einem selbstgebauten Bogen einen Rekord zu brechen. Ohne Visier wollte er eine Zielscheibe in mehr als 200 Meter Entfernung treffen. Tatsächlich schaffte er es, was für uns, als totale Laien, ziemlich beeindruckend war.
Danach besuchten wir noch den größten Tempel Sanglis, der aufgrund des letzten Festivaltages natürlich voller Menschen war, wo wir Teil einer überfüllten Tradition wurden.
Als wir eigentlich schon wieder zurückkehren wollten, kam meiner Chefin spontan noch die Idee, abends in ein 6 Kilometer entferntes Dorf zu fahren, wo es eine alte, großartige Tradition zu bestaunen gäbe. Als wir "Ja" sagten, dachten wir aber ganz bestimmt nicht an das, was uns letztendlich erwartete .... Eine Feuerwerksschlacht ....
In einer bestimmten Straße des Dorfes wird jedes Jahr, am 24. Oktober ab 21.00 Uhr eine Art Wettbewerb veranstaltet. In Indien gibt es so genannte "Puhjas", eine Art Trage auf der eine Statue der jeweilige Gottheit präsentiert, reich geschmückt und verehrt wird. Diese Puhja wird nun von Haus zu Haus getragen, bis sie am Tempel angelangt. Sobald sich die Gottheit vor der Tür befindet, kommt die Mutter des Hauses, um die Träger mit Essen und Trinken zu versorgen. Ist dies getan, wird zu Ehren des Gottes von allen männlichen Familienmitgliedern ein Feuerwerk organisiert. Diese werden das ganze Jahr über ausschließlich für diesen Tag gefertigt und keinesfalls verkauft, wie ich anfangs dachte.
Ziel ist es das schönste Feuerwerk der ganzen Straße zu veranstalten und damit den Gott ganz besonders zu ehren. Diese Prozedur wird fortgesetzt bis die Puhja vor jedem Haus gestoppt und schließlich den Tempel erreicht hat. Natürlich kennen wir Feuerwerk in allen Varianten ... aber sowas ... habe ich noch nie erlebt. Meter-hohe Fontänen, mannsgroße, rotierende Scheiben, die mit lauten Explosionen eine Art Feuerregen versprühen und das lauteste & größte Feuerwerk, was ich je gesehen habe. Das Gedränge war enorm und die Inder schienen vor Freude auszurasten, sprangen wild durch den Feuerregen und standen nur wenige Zentimeter von den Raketen entfernt. Selbstverständlich wurde, wie bei jedem anderen Festival auch lautstark Musik dazu gemacht.
Natürlich habe ich versucht es in Bildern festzuhalten ... was daraus geworden ist könnt ihr euch sicher vorstellen *haha*
Erschreckend, gefährlich, laut, hell, unberechenbar, überfüllt und doch wunderschön und beeindruckend zugleich! Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich bin mir sicher, dass viele Zuschauer einige Verbrennungen oder andere Verletzungen an diesem Abend erleiden mussten. Über 20.000 Zuschauer wurden erwartet ... ich bin mir jedoch fast sicher, dass es mehr waren. Gott sei Dank konnten wir uns bis zu einem Haus durchkämpfen, wo wir auf der Dachterrasse das Ganze von oben betrachten konnten.
Zwei Tage später ging die Reise also für die Australierin weiter und auch ich hatte mich dazu entschlossen mit ihr und meiner Chefin mitzukommen, um eine weitere Stadt kennen zulernen die BSSK Stelle zu sehen und vor allem aber, auf weitere Hausbesuche mitgehen zu können. Die Häuser der Sponsorship-Kinder befanden sich diesmal zum Teil in in einer Bergregion, was mich besonders reizte. Angekommen in Chiplun wurden wir herzlich begrüß, begannen jedoch gleich mit der Arbeit, da es viel zu tun gab und wir nur wenige Tage dafür Zeit hatten.
Hier also ein Bericht über unsere gemeinsamen Tage in Chiplun :)
Nach dem wir am ersten Tag viele organisatorische Dinge zu besprechen hatten, machten wir uns am Zweiten gleich früh morgens um 8.00 Uhr auf den Weg zu unseren ersten Sponsorship-Kindern. Auf dem Hinweg besuchten wir eine Schule, aus welcher uns 3 Kinder später bis zu ihren Häusern begleiteten.
Stunden- und Lehrerplan |
Der Weg war steil und manchmal kaum als solcher zu erkennen, sodass wir auf dem Rückweg Probleme hatten wieder zurückzufinden. Trotz aller Anstrengung war diese Tour es definitiv Wert :) Ein weiteres Mal durfte ich den indischen Alltag also ganz nah miterleben. Allein durch die Lage in der Bergregion unterschieden sich diese Hausbesuche natürlich stark von denen, die ich bis jetzt in Sangli gemacht hatte. Viele Familien leben ohne Strom und so, wie wir sagen würden, vor 200 Jahren gelebt haben. Feuer wird selbst gemacht, der Fußboden besteht aus getrocknetem Kuhdung Tiere leben und schlafen in der Küche, und das Bett wird, wenn überhaupt eines vorhanden ist, ausschließlich als Sitzgelegenheit für Gäste angeboten und nicht zum schlafen genutzt. Nach vielen Stunden lagen trotzdem erst 9 von über 50 Hausbesuchen hinter uns. Auch wenn viele Bilder vielleicht recht idyllisch erscheinen mögen, ist das Leben dieser Familien wirklich hart und oftmals von schweren Schicksalsschlägen geprägt. Ich glaube nicht, dass einer von uns auch nur eine Nacht dort verbringen wollen würde. Diese Familien sind wirklich hilfsbedürftig und deshalb ist grade das Leben der Kinder nicht so, wie es ihnen zu wünschen wäre. Oft hört man von häuslicher Gewalt, Alkoholproblemen, plötzlichen Todesfällen, Hungersnot oder Unterernährung und schweren Krankheiten innerhalb der Familien.
Reis für ein Jahr |
Ein typischer Hausaltar |
Ein Sari hängt zum Trocknen aus |
Sponsorship-Kinder mit einer fertigen Diwalli-Laterne |
Nach weiteren Hausbesuchen am Nachmittag machten sich meine Chefin und ich wieder auf den Rückweg. Auch wenn es noch so schnell vorbei ging, möchte ich diesen Trip und vor allem die damit verbundenen Erfahrungen nicht mehr missen!
Es hat mir wieder einmal gezeigt, wie gut wir es haben und wie unnötig und klein so manche unserer Sorgen und Ängste, im Gegensatz zu den wirklichen Problemen sind, mit denen diese und viele andere Menschen in der Wel tagtäglich zu kämpfen haben.
Mit vielen Grüßen
Von eurer Lea
9 Kommentare:
Hihi, dieses Mal sind wir die Ersten.
Es ist eine echt tolle Bilderserie die deinen Bericht untermalt. Natürlich steigert das auch unsere Vorfreude auf unseren Besuch.
M&P
Ich bin mal wieder vollkommen beeindruckt. Nach jedem deiner Posts könnte ich eigentlich nen Rucksack packen und zu dir kommen...Ich musste heute an dich denken, denn wir haben hier einen indischen Suppenladen...soo lecker <3 Es drückt dich ganz fest deine Jenna xxx
Es ist uns eine große Freude mit ganz viel Bewunderung für Dich, Deinen Bericht zu lesen. Es ist überwätigend, was Du dort leistest. Wir wünschen Dir weiterhin viel Kraft dafür und umarmen Dich ganz fest, Deine GE
Ohh... ich bin schon wieder nicht der Erste :/ ;)
Aber der Bericht ist wie immer absolut "spitzenklasse" geworden.
Ich werde ihn heute Abend noch ein zweites Mal lesen und etwas tiefer auf mich wirken lassen müssen. Man vergisst so leicht wie schlecht es so vielen Anderen geht, wenn es einem selbst so gut geht...puh
Dabei fällt mir auch unser Plan wieder ein. Wir retten die Welt! Du fängst schonmal in Indien an und ich komme dir aus Europa entgegen :)
LG nach Indien :*
Ohh... ich bin schon wieder nicht der Erste :/ ;)
Aber der Bericht ist wie immer absolut "spitzenklasse" geworden.
Ich werde ihn heute Abend noch ein zweites Mal lesen und etwas tiefer auf mich wirken lassen müssen. Man vergisst so leicht wie schlecht es so vielen Anderen geht, wenn es einem selbst so gut geht...puh
Dabei fällt mir auch unser Plan wieder ein. Wir retten die Welt! Du fängst schonmal in Indien an und ich komme dir aus Europa entgegen :)
LG nach Indien :*
Faszinierend und doch bedrückend,mein Gott geht`s uns gut.Hut ab vor deiner Leistung!
Ganz liebe Grüße aus dem Schwabenländle
Hallo liebe Lea,
wieder einmal herzliche Grüße aus Leipzig.Mit Interesse und großer Bewunderung lesen wir deine Berichte.Wir staunen immer wieder wie du in dieser doch so fremden und anderen Welt zurecht kommst.
Wir glauben aber, dass du besonders viele Erfahrungen für dein späteres Leben mitnehmen wirst.Weiterhin alles erdenklich Gute,eine schöne Zeit und beste Gesundheit wünschen O.R.U.B.
Liebe Lea,
diesmal hat es leider etwas gedauert bis ich deinen Post gelesen habe, aber ich habe dich nicht vergessen :)
Die Landschaftsbilder sind wirklich atemberaubend schön. Aber wie du auch schon sagtest, ist es sehr traurig wie die Menschen dort leben müssen.
Trotzdem freue ich mich auf meinenen Besuch in Indien! Lena kommt auch mit, es ist jetzt amtlich. Also werden wir jeden Tag weiterreisen udn usn gleich noch das Land angucken :).
Du musst mir auch unbedingt etwas Hindi, oder welche Sprache man da eben spricht, beibringen! :D
Ganz liebe Grüße,
deine Lisa :)
Liebe Weihnachtsgrüße von der Familie Busse aus Gommern.
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