Dienstag, 27. November 2012

:) Hasenschmuggel :)


Ich habe euch ja bereits  von meiner Projektidee erzählt :)
In der vorherigen Woche wurde ich kurzfristig für ein weiteres Treffen mit unserer Mentorin nach Pune bestellt.
In Sangli gestaltete sich die Hasen-Suche wirklich schwierig. Das einzige, was mir angeboten wurde, waren alte, eingeschüchterte, verstörte Hasen :( Auch wenn sie mir noch so Leid taten .... war es absolut nicht das wonach ich gesucht hatte. Zurück in Pune entschloss ich mich also dazu die Kleinen einfach dort zu kaufen und sie anschließend mit nach Sangli zu nehmen.

Ich muss gestehen ... etwas aufgeregt war ich ja schon, da die Busregeln von "Konduskar Travels" eindeutig lauten:

Pet animals/birds are not permitted to be carried (see M.V. Act 1989, Rule No. 102ii)
if carried and detected passenger will be abandoned

Haustiere/Vögel sind nicht erlaubt mitzunehmen (siehe M.V. Gesetz von 1989, Gesetzesnummer 102ii)
Im Falle dessen, dass ein Tier mitgenommen und der Passagier dabei erwischt wurde, wird dieser ausgesetzt.

Natürlich ging am Ende dann trotzdem alles gut und wir blieben unentdeckt, da ich wieder zwei Plätze für mich alleine hatte.
Abends sollte ich eigentlich vom Fahrer des BSSK abgeholt werden, da ich in der Dunkelheit mit den Hasen noch dazu ungern auf Rikshaw-Suche gehen wollte. Doch leider funktionierte nichts so wie geplant.
Wie es in Indien aber nunmal so ist, war all das am Ende überhaupt kein Problem. Sofort fand sich ein junges Ehepaar, das mich unter KEINEN Umständen allein nach Hause fahren lassen wollte.

Dazu muss man sagen, das sowas hier in Indien, vor allem aber in ländlichen Gegenden wie Sangli sehr oft vorkommt. Für die Inder bin ich nämlich nicht nur Gast in ihrem Land, sondern vor allem ein kleines, unerfahrenes Kind, auf das selbstverständlich aufgepasst werden muss. Oft werde ich hier komisch angeschaut, wenn ich erzähle, dass meine Eltern die Idee ins Ausland zu gehen sogar noch unterstützt haben. Oftmals wird nämlich vermutet ich hätte mich mit meiner Familie verstritten, wäre ausesetzt oder verstoßen worden oder ganz und gar einfach nach Indien geflüchtet. Haha ja, klar doch!
In Indien sind 18 jährige minderjährig. Besonders Töchter sind wie kleine Kinder für sie und werden demenstprechend behandelt. Freiheit "Adee", "Hallo" zur Käfighaltung. Viele junge Frauen dürfen allein nicht einmal aus dem Haus gehen ...!

Gott sei Dank gibt es auch in diesem Fall Ausnahmen :) Für uns ist es natürlich nahezu unvorstellbar und hört sich eher nach Freiheitsberaubung an, was hier als Fürsorge verstanden wird. In Indien ist das jedoch normal und so regen sich auch die wenigsten darüber auf. Schließlich kennen sie es ja nicht anders. So kommt es aber häufig vor, dass man jungen Menschen begegnet, die sich in der Tat wie Kleinkinder verhalten, unselbständiger nicht sein könnten und bei jeder Kleinigkeit nach "Maamaaa?" schreien. Es mag witzig klingen ... ist es aber nicht immer und vor allem aber ist es die Realität.

Wo ich jedoch grade von Ausnahmen geredet habe ...
Da ich im Normalfall von Montags bis Freitags arbeiten gehe, habe ich das Wochenende über frei. Als ich noch in Deutschland war, macht ich mir viele viele Gedanken darüber, wie ich meine Freizeit nur verbringen soll, da ich im Gegensatz zu den anderen Freiwilligen, ja doch ganz schön allein hier bin.
Tja, was soll ich euch sagen. Ich habe NIE Langeweile und IMMER etwas zu tun. Eigentlich bräuchte ich eine Woche mit 10, anstelle von 7 Tagen :)

Ich habe hier unabhängig voneinander zwei sehr nette indische junge Frauen kennengelernt, mit denen ich meine Zeit am Wochenende verbringe. So sind meine zwei freien Tage also immer gut gefüllt mit kleinen Shoppingtouren, Kochkursen, ruhigen Stunden am Flussufer oder mit dem Vorstellen neuer Leute hier aus Sangli.

Wenn ich d.a.n.n. noch Zeit zwischendurch finde, sitze ich wohl möglich grade auf meiner Terasse und versuche mir einen neuen, guten Post aus dem Hut zu zaubern :)

Inzwischen haben sich sogar die etwas schreckhaften Kinder daran gewöhnt, dass auf dem Boden nun auch andere kleine Wesen herumtollen :) Während die Wilderen sich dazu haben überreden lassen, dass die Tiere keine Quietsche-Entchen sind, die man hin- und herschupsen oder zerquetschen darf. Sie sind Feuer und Flamme und helfen immer brav beim Füttern und sauber machen mit. Ab und zu kommt auch eine empörte Ansage eines meiner größeren Mädchen, während ich bei der Arbeit bin "Lia-Diddi, Kaya hat mir gesagt sie hat Hunger!" Mit einem Schmunzeln, gebe ich dann doch meistens nach, obwohl die Tiere natürlich wohlgenährt sind. In den letzten Wochen sind sie nun ihr ganzer Stolz geworden und werden Besuchern nun immer schon vor den Babys präsentiert und gelobt. Letztens kam doch tatsächlich die Frage, ob man mir die Kleinen nicht abkaufen könnte. Damit wäre die ganze Arbeit und das Glück der Kinder aber natürlich vollkommen dahin, sodass ich mich mit der Dame darauf einigte ihr beim nächsten Besuch in Pune "genauuu SO einen Hasen" mitzubringen ...



Wann immer ihr Fragen habt, stellt sie bitte. Über Kommentare von euch freue ich mich natürlich wie immer sehr!

Mit sonnigen Grüßen aus Indien :)

Eure Lea

Freitag, 2. November 2012

Australischer Besuch und ein Trip nach Chiplun


Schon seit einer Woche sprachen alle davon, dass wir bald Besuch von einer australischen Frau bekommen würden. Da sie selbst und viele ihrer Freunde Sponsoren ein oder mehrer indischer Kinder ist, entschloss sie sich dieses Jahr nach Chiplun zu reisen, um sich ein eigenes Bild von den Lebensumständen und Familienverhältnissen zu machen. Dort befindet sich nämlich die kleinste Stelle des BSSK, in welcher derzeit nur 10 Kinder leben, aber von dort aus zusätzlich um die 150 Sponsorship-Kinder betreut werden.

Überraschender Weise kam sie einen Tag früher, als geplant, wodurch die Frauen des BSSK ziemlich in Hektik gerieten.
"Wo liegt denn Australien überhaupt? Wie heißt sie nochmal? Der Blumenstrauß ist ja noch gar nicht fertig und Máma! Du musst doch los, um sie abzuholen!"

Zu ihrem Glück kam sie am letzten Tag des Dusshera Festivals (24.Oktober), welcher, was ich nun schon aus Erfahrung sagen kann, immer am kräftigsten gefeiert wird.
So hatten also die meisten der Frauen ihren freien Tag und das BSSK war relativ ruhig. Stolz wurde unsere Einrichtung gezeigt :) Nachmittags machten wir uns auf den Weg, um unserem Besuch ein wenig von der Umgebung zu zeigen. Ein kurzer Spaziergang am Flussufer wurde zu einem Erlebnis :) Ein Mann versuchte mit einem selbstgebauten Bogen einen Rekord zu brechen. Ohne Visier wollte er eine Zielscheibe in mehr als 200 Meter Entfernung treffen. Tatsächlich schaffte er es, was für uns, als totale Laien, ziemlich beeindruckend war.



Danach besuchten wir noch den größten Tempel Sanglis, der aufgrund des letzten Festivaltages natürlich voller Menschen war, wo wir Teil einer überfüllten Tradition wurden.









Als wir eigentlich schon wieder zurückkehren wollten, kam meiner Chefin spontan noch die Idee, abends in ein 6 Kilometer entferntes Dorf zu fahren, wo es eine alte, großartige Tradition zu bestaunen gäbe. Als wir "Ja" sagten, dachten wir aber ganz bestimmt nicht an das, was uns letztendlich erwartete .... Eine Feuerwerksschlacht ....
In einer bestimmten Straße des Dorfes wird jedes Jahr, am 24. Oktober ab 21.00 Uhr eine Art Wettbewerb veranstaltet. In Indien gibt es so genannte "Puhjas", eine Art Trage auf der eine Statue der jeweilige Gottheit präsentiert, reich geschmückt und verehrt wird. Diese Puhja wird nun von Haus zu Haus getragen, bis sie am Tempel angelangt. Sobald sich die Gottheit vor der Tür befindet, kommt die Mutter des Hauses, um die Träger mit Essen und Trinken zu versorgen. Ist dies getan, wird zu Ehren des Gottes von allen männlichen Familienmitgliedern ein Feuerwerk organisiert. Diese werden das ganze Jahr über ausschließlich für diesen Tag gefertigt und keinesfalls verkauft, wie ich anfangs dachte.




Ziel ist es das schönste Feuerwerk der ganzen Straße zu veranstalten und damit den Gott ganz besonders zu ehren. Diese Prozedur wird fortgesetzt bis die Puhja vor jedem Haus gestoppt und schließlich den Tempel erreicht hat. Natürlich kennen wir Feuerwerk in allen Varianten ... aber sowas ... habe ich noch nie erlebt. Meter-hohe Fontänen, mannsgroße, rotierende Scheiben, die mit lauten Explosionen eine Art Feuerregen versprühen und das lauteste & größte Feuerwerk, was ich je gesehen habe. Das Gedränge war enorm und die Inder schienen vor Freude auszurasten, sprangen wild durch den Feuerregen und standen nur wenige Zentimeter von den Raketen entfernt. Selbstverständlich wurde, wie bei jedem anderen Festival auch lautstark Musik dazu gemacht.

Natürlich habe ich versucht es in Bildern festzuhalten ... was daraus geworden ist könnt ihr euch sicher vorstellen *haha*








Erschreckend, gefährlich, laut, hell, unberechenbar, überfüllt und doch wunderschön und beeindruckend zugleich! Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich bin mir sicher, dass viele Zuschauer einige Verbrennungen oder andere Verletzungen an diesem Abend erleiden mussten. Über 20.000 Zuschauer wurden erwartet ... ich bin mir jedoch fast sicher, dass es mehr waren. Gott sei Dank konnten wir uns bis zu einem Haus durchkämpfen, wo wir auf der Dachterrasse das Ganze von oben betrachten konnten.

Zwei Tage später ging die Reise also für die Australierin weiter und auch ich hatte mich dazu entschlossen mit ihr und meiner Chefin mitzukommen, um eine weitere Stadt kennen zulernen  die BSSK Stelle zu sehen und vor allem aber, auf weitere Hausbesuche mitgehen zu können. Die Häuser der Sponsorship-Kinder befanden sich diesmal zum Teil in in einer Bergregion, was mich besonders reizte. Angekommen in Chiplun wurden wir herzlich begrüß, begannen jedoch gleich mit der Arbeit, da es viel zu tun gab und wir nur wenige Tage dafür Zeit hatten.



Hier also ein Bericht über unsere gemeinsamen Tage in Chiplun :)

Nach dem wir am ersten Tag viele organisatorische Dinge zu besprechen hatten, machten wir uns am Zweiten gleich früh morgens um 8.00 Uhr auf den Weg zu unseren ersten Sponsorship-Kindern. Auf dem Hinweg besuchten wir eine Schule, aus welcher uns 3 Kinder später bis zu ihren Häusern begleiteten.



Stunden- und Lehrerplan



Der Weg war steil und manchmal kaum als solcher zu erkennen, sodass wir auf dem Rückweg Probleme hatten wieder zurückzufinden. Trotz aller Anstrengung war diese Tour es definitiv Wert :) Ein weiteres Mal durfte ich den indischen Alltag also ganz nah miterleben. Allein durch die Lage in der Bergregion unterschieden sich diese Hausbesuche natürlich stark von denen, die ich bis jetzt in Sangli gemacht hatte. Viele Familien leben ohne Strom und so, wie wir sagen würden, vor 200 Jahren gelebt haben. Feuer wird selbst gemacht, der Fußboden besteht aus getrocknetem Kuhdung  Tiere leben und schlafen in der Küche, und das Bett wird, wenn überhaupt eines vorhanden ist, ausschließlich als Sitzgelegenheit für Gäste angeboten und nicht zum schlafen genutzt. Nach vielen Stunden lagen trotzdem erst 9 von über 50 Hausbesuchen hinter uns. Auch wenn viele Bilder vielleicht recht idyllisch erscheinen mögen, ist das Leben dieser Familien wirklich hart und oftmals von schweren Schicksalsschlägen geprägt. Ich glaube nicht, dass einer von uns auch nur eine Nacht dort verbringen wollen würde. Diese Familien sind wirklich hilfsbedürftig und deshalb ist grade das Leben der Kinder nicht so, wie es ihnen zu wünschen wäre. Oft hört man von häuslicher Gewalt, Alkoholproblemen, plötzlichen Todesfällen, Hungersnot oder Unterernährung und schweren Krankheiten innerhalb der Familien.









Reis für ein Jahr
Ein typischer Hausaltar



Ein Sari hängt zum Trocknen aus



Am dritten und leider damit auch schon wieder letzten Tag unseres Chiplun-Aufenthalts begaben wir uns erst am Nachmittag zu weiteren Hausbesuchen, da wir den Vormittag über ein  abwechslungsreiches Camp besuchten, welches zweimal pro Jahr für alle  150 Sponsorship-Kinder dieser Region veranstaltet wird. Von einer Bastelstunde für Laternen, über einen Lehrgang zur Parfümherstellung, bis hin zu einer Stunde Aufklärungsunterricht, gestaltete sich das Programm wirklich sehr abwechslungsreich. Beendet wurde es mit der Vorführung einer Gruppe, die einen traditionellen Fischer-Tanz aufführte.



Sponsorship-Kinder mit einer fertigen Diwalli-Laterne






Nach weiteren Hausbesuchen am Nachmittag machten sich meine Chefin und ich wieder auf den Rückweg. Auch wenn es noch so schnell vorbei ging, möchte ich diesen Trip und vor allem die damit verbundenen Erfahrungen nicht mehr missen!

Es hat mir wieder einmal gezeigt, wie gut wir es haben und wie unnötig und klein so manche unserer Sorgen und Ängste, im Gegensatz zu den wirklichen Problemen sind, mit denen diese und viele andere Menschen in der Wel tagtäglich zu kämpfen haben.



Mit vielen Grüßen

Von eurer Lea